Das Leben ist nicht fair–selbst bei Spielen
Vor wenigen Tagen öffnete das wohl größte und bekannteste MMORPG des Jahres seine Server. Elder Scrolls Online (ESO) taugt dabei hervorragend um zahllose Kontroversen herbeizuführen. Die Mischung aus normalem Elder Scrolls im Stile eines Skyrims und eines klassischen Thempark-MMOs hat so seine Probleme mit dem Interface, das dieses Mal nicht nur zwei, sondern gleich drei Welten unter einem Hut packt, klassische Offline-RPG-Steuerung trifft hier nämlich auf Online-RPG-Steuerung und zusätzlich ist auch noch alles für Spielkonsolen optimiert, ohne am PC eine Joypad-Handhabung zu ermöglichen. Auch einen Ingame-Shop inklusive Mikrotransaktionen und einem kaufbaren Mount gibt es bereits, von der teureren Imperial-Edition mit einer spielbaren Rasse und einigen (verzichtbaren) Gegenständen mehr dabei mal ganz abgesehen – alles schreit geradezu danach, dass die Free to Play (F2P) Umstellung in wenigen Monaten fest eingeplant ist und die Fans, die nicht warten konnten, jetzt ein aufgrund zahlloser Bugs noch nicht einmal fertiges Spiel teuer erkaufen.
Insbesondere in Innenräumen und bei den Charaktermodellen kann ESO mit schicker Grafik punkten.
Ich muss es einmal ganz deutlich sagen, hier werden Spieler mit einem großen Namen gelockt und geschröpft. Ich habe die Beta angespielt. Eigentlich wollte ich wie für fast alle anderen großen MMOs der vergangenen Jahre eine ausführliche Preview schreiben. Aber es ging nicht! Ich habe den Client vier Mal heruntergeladen – und das Spiel ein einziges Mal gezockt - für etwa drei Stunden, dann war meine Lust auf dem Nullpunkt. Ich habe mich über so viele Dinge aufgeregt, das ist mir bisher bei noch keinem MMORPG passiert. Dabei empfand ich die Grafik als durchaus sehenswert und die Welt recht nett gestaltet. Okay, die Animationen insbesondere während des Kampfs sind schlimm und von einem Skyrim ist der Titel weit, weit entfernt aber immerhin erlaubt er von Haus aus das erstellen von hübschen Spielcharakteren, ein Novum in der Seriengeschichte. Auch an das verquere Bedienkonzept hatte ich mich als Kenner der Elder Scrolls-Spiele schnell gewöhnt. Nein, es war die Atmosphäre, die mir komplett den Spaß verdorben hat. Warum zum Teufel – wieder einmal - die Story eines einzelnen auserwählten Helden? Schon im Tuturial, bei dem der Spieler aus einer Unterwelt fliehen soll, geht es los: Alle anderen Personen sind eingesperrt, der „Prophet“ hat mich erwählt und mit seiner Hilfe, er macht mir die Zelle auf, kann ich aus dieser entkommen, um auch ihn zu befreien. Äh, Moment, was machen denn die ganzen anderen Leute hier? Ich denke, ich soll hier entkommen, um die Welt zu retten? Hier strampeln aber dutzende andere Helden rum. Fieser Prophet, will wohl doch nicht bloß alles auf eine Karte setzen und lügt mich jetzt schon an, was!? Nach dem Tuturial in der offen Welt genau das gleiche Spiel. Die Ortschaften, die Landschaften, die Quests, alles schreit nach abgelegener Wildnis. Und die ist in der Regel einsam und verlassen. Aber nein, in dieser Ödnis rennen, springen, reiten und questen dutzende anderer auserwählter Helden herum und treten sich und mir gegenseitig auf die Füße. Für mich wurde dadurch die Immersion vollständig zerstört. Warum nicht eine andere Story mit vielen Helden, die gegen den Kampf des Endbösewichts benötigt und trainiert werden müssen?
Das einzige andere „große“ MMO in den kommenden Monaten wird Wildstar von NCSoft sein. Die Kurzbeschreibung hier lautet World of Warcraft im Weltraum. Einschließlich Cartoonoptik auf einem Niveau, das nur knapp über dem zehn Jahre alten Platzhirsch von Blizzard liegt. Als Bezahlmodell dient hier grundsätzlich ebenfalls das monatliche Abonnement, jedoch sollen die Kunden auch Spielzeit durch das Zocken selbst freispielen können. Ich bin gespannt, zweifle aber daran, dass die Koreaner mehr als einen Achtungserfolg erzielen können. Kleine Anekdote am Rande, in der Beta war die Grafik mit unschönen Wasserzeichen verunziert. Ob dies der Grund war, dass die Hardwareanforderungen wirklich heftig waren, insbesondere wenn die technische Qualität der Optik bedacht wird?
Auch Everquest: Next steht in den Startlöchern. Mir persönlich wurde die Grafik im Vergleich zu den eher realistisch anmutenden Vorgängern allerdings zu sehr auf Comiclook getrimmt. Zusammen mit Everquest: Landmark werden aber auf jeden Fall Minecraft-Fans hier glücklich werden, denn im Vergleich zu dem erfolgreichen Indie-Titel macht das Ganze optisch durchaus schon einiges her.
Nein, entgegen dem ungeliebten F2P-Modell, auf das es ohnehin heute bei jedem Titel langfristig hinausläuft, gibt es für mich in diesem Jahr einige andere MMO-Highlights, die meiner Ansicht nach viel zu wenig Beachtung bekommen. Trion Worlds, die Macher des exzellenten Rifts etwa veröffentlichen das koreanische ArcheAge. Tolle Grafik gepaart mit einer Mischung aus Themepark- und Sandbox-Prinzip. Dies schmeckt jetzt schon vielen Skeptikern nicht, aber das, was ich bisher von dem Titel gesehen habe, gefällt mir sehr. Noch eine Schippe drauf, zumindest optisch, legt Black Desert Online. Das Game sieht fantastisch aus und richtet sich an die leidgeprüften Sandbox-Spieler. Da bin ich wirklich drauf gespannt! Ebenfalls angekündigt wurde Skyforge von Obsidian in Kooperation mit den Machern von Allods Online. Der erste Trailer verspricht ein ziemliches cooles Setting.
Gerade diese ganzen eher unbekannten Titel könnten meiner bescheidenen Einschätzung nach durchaus teilweise ein ESO qualitativ weit übertreffen, werden aber wohl leider nie auch nur annähernd den Bekanntheitsgrad und - viel wichtiger - die Menge an (zahlenden) Spielern erreichen, was einfach unfair ist.
Kommentare
Kommentar veröffentlichen