Der König ist tot – es lebe der König! Wirklich?

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„We’re not in Azeroth anymore!“ Mit dieser Kampfansage an World of Warcraft (WoW) wirbt das im März erscheinende brandneue Massively Multiplayer Online Role Playing Game (MMORPG) von „Trion Worlds“ um Aufmerksamkeit. Es trägt den bezeichnenden Titel Rift und der amerikanische Entwickler verspricht viel, schließlich besteht das Entwicklerteam aus vielen erfahrenen Köpfen, die schon bei anderen großen Titeln mitgearbeitet haben. Daneben stand noch das „lächerlich geringe“ Budget von angeblich 50 Millionen Dollar zur Verfügung. Was kann da also schon schiefgehen? Um es gleich vorwegzunehmen, eigentlich nicht viel, aber dass selbst große Namen wie Herr der Ringe Online oder Dungeon & Dragons „scheitern“ können bewies die Vergangenheit. Die Wahrscheinlichkeit langfristig mit den bekannteren Titeln mitzuhalten ist dennoch groß. Sich mit einem WoW messen zu wollen aber - gelinde gesagt – illusorisch.
Nach einem absolut unspektakulären Jahr 2010 war es ferner mal endlich wieder an der Zeit, dass sich ein neues großes Onlinerollenspiel ans Licht der Öffentlichkeit traute. Aion erschien ja bereits im September 2009 und Warhammer Online gar noch ein Jahr früher, im September 2008. Seither herrscht absolute Flaute im (Fantasy) MMO-Bereich (Gräueltaten wie Star Trek Online mal ausgenommen). Ich hatte jetzt die Gelegenheit, bei der offenen Beta, einige Stunden im Spiel zu verweilen, und erste Eindrücke zu sammeln. Diese sind, soviel sei gewarnt, rein subjektiv und entstammen den ersten zehn bis zwölf Spielstunden, zu wenig, um ein MMO in seinen ganzen Ausmaßen zu beurteilen aber auch lang genug, um als erfahrener Spieler schon zu einem abschließenden Fazit zu kommen. Ich habe in den vergangenen Jahren immerhin fast alle großen MMORPGs zumindest mal angespielt, einige sogar viele, viele Monate und Jahre immer wieder intensiv gezockt und nebenbei noch zusätzlich etlichen, der grundsätzlich zunächst kostenfreien „Free 2 Play“ (F2) Titel so einiges abringen können, bilde mir also ein, solch ein Spiel völlig vorurteilsfrei bewerten und vergleichen zu können. Aber, die Geschmäcker sind verschieden, deswegen bleibt dies hier mein persönlicher und völlig parteiischer Ersteindruck, denn Rift hat mächtige Konkurrenten und die Erwartungshaltung ist entsprechend hoch.
Dem ungeachtet, worum geht es in Rift überhaupt? Regulos der Zerstörer und Vernichter der Welten wurde von der sogenannten Wache aus Telara verbannt. Der Schutz vor ihm ist im Laufe der Zeit allerdings leider etwas „löchrig“ geworden und so entstehen immer wieder Risse, die namensgebenden Rifts, durch die Monster in die Welt eindringen. Als Spieler entscheidet man sich zwischen zwei Fraktionen, den Wächtern, die glauben durch den Willen der Götter wiedergeboren zu sein und die Skeptiker, die mit Magie und Technik ihr eigenes Schicksal formen wollen. Selbstverständlich sind sich beide Fraktionen spinnefeind, sodass genug Platz für ordentliches Player versus Player (PvP) geboten werden sollte (laut Aussage anderer Betaspieler ist der PvP-Part allerdings noch nicht so richtig dolle). Die Hintergrundgeschichte kann man übrigens gleich wieder abhaken, sie spielt zumindest in den ersten Spielstunden effektiv genau gar keine Rolle.
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Los geht es wie im Genre üblich mit der Charaktererstellung. Diese bietet die üblichen Fantasystandards, nämlich Menschen, Elfen und Zwerge, das war’s. Dabei sehen übrigens die Skeptiker-Elfen einer gewissen außerirdischen Rasse namens Na’vi aus dem Film Avatar verblüffend ähnlich. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt. Die Einstellmöglichkeiten im Charaktereditor scheinen eins zu eins aus Age of Conan (AoC) übernommen worden zu sein, erreichen allerdings nicht ganz dessen Umfang. Wobei anzumerken ist, dass es in AoC auch nur eine Rasse, die Menschen, gibt. Einen Vergleich mit den unglaublich vielfältigen Möglichkeiten eines Aion braucht Rift dabei erst gar nicht versuchen. Immerhin ist mehr möglich als beim in dieser Disziplin leider sehr spartanischem Klassenprimus WoW.
Nach der „Auferstehung“ als Erwachsener wird der Spieler auch gleich ins Geschehen geworfen. Die Aufgabe lautet, als speziell auserwählter Krieger, Schurke, Geistlicher oder Magier die Welt zu retten und dabei zu helfen, sie nach der Fasson der eigenen Fraktion neu zu gestalten. Zu merken ist von der Story wie erwähnt jedenfalls leider erstmal nichts, wie in jedem anderen MMO heißt die Devise zunächst: Töte X Monster und bringe mir Anzahl Y von Item Z. Zur Belohnung erhält man neben den obligaten Erfahrungspunkten, Geld und Bekleidungsstücken anfangs zwei weitere Unterklassen, von denen es je Klasse acht verschiedene gibt und man insgesamt drei wählen muss. So kann der Magier zum Beispiel Elementarist, Nekromant und Hexenmeister gleichzeitig sein. Ein Schurke mutiert so zum Waldläufer-Assassinen-Barden. Die Kombinationsmöglichkeiten sind vielfältig, ob sie miteinander Sinn machen, dass muss man schon selbst ausprobieren. Der Spieler sollte hier außerdem genau überlegen, welche und wie viele der kostbaren Attributpunkte er in welchem Fertigkeitenbaum investieren möchte, was recht knifflig sein kann. Während man sich also langsam durch die Startmap durcharbeitet, fleißig Monster vermöbelt und seine ersten Levelaufstiege feiert wird questmäßig dummerweise nichts geboten, was nicht selbst F2P Titel seit Jahren offerieren. Es herrscht absoluter Einheitsbrei. Und hatte ich schon erwähnt, dass nach fünf Minuten auch von der eigentlichen Story nichts mehr zu spüren ist? Logik sucht man hier jedenfalls vergeblich. Als auserwählter, extra in einer Art Fabrik (Kleriker) beziehungsweise Tempel (Wächter) geschaffener Kämpfer für meine Fraktion und letzte Hoffnung auf das Überleben der Welt werde ich nicht von meinen Leuten voll ausstaffiert, um im Kampf gegen das Übel zu bestehen, sondern muss irgendwelchen Bauern dabei helfen, nervige Eber zu verdreschen? Nein, die Story wurde wirklich, egal wie komplex sie letztlich sein wird, mit der heißen Nadel gestrickt.
Bei Laune hält einen zunächst aber die hübsche Grafik. Die Entwickler haben aus der altersschwachen „Gamebryo Engine“ (Oblivion, Warhammer Online) ordentlich was raus gekitzelt. Technisch lässt Rift „sogar“ ein Herr der Ringe Online (erschien im April 2007, also vor fast vier Jahren) durchaus hinter sich, an ein Age of Conan (Release war Mai 2008) kommt es aber leider bei weitem noch nicht ran, auch wenn es auf den ersten Blick technisch bei vielen Texturen und Effekten recht ähnlich wirkt. Stilistisch kupfert Rift allerdings bei World of Warcraft ab. Beim Durchstreifen der Lande hatte ich mehr als einmal das Gefühl, eben doch durch Azeroth zu latschen, wenn auch in einer extrem hübschen Version davon. Dafür wirken die Städte oder Außenposten in Rift leider recht winzig. Selbst die Burg Meridian (quasi die Hauptstadt) der Kleriker ist winzig im Vergleich zu anderen MMOs und mir in der Form eher aus F2P Titeln geläufig. Ob da später noch mehr kommt, kann ich leider nicht sagen, in der Hinsicht war ich jedenfalls enttäuscht. Latschen ist überhaupt ein Stichwort, ich hatte das Gefühl, meine Spielfigur schleicht wie eine lahme Ente durch die Welt und wollte auch manchmal nicht so flüssig „durch die Kurve“. Hier sollte „Trion Worlds“ vielleicht noch etwas an der Steuerung feilen. Immerhin stehen sehr früh interessant designte Reittiere zur Verfügung, sofern man das nötige Kleingeld in der Tasche hat.
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Kommen wir jetzt zu den weiteren Kleinigkeiten. Viele Texte leiden derzeit noch unter einem wilden Sprachmischmasch, was sich bis zur Veröffentlichung aber noch ändern kann. Das Interface bietet gewohnten Onlinerollenspiel-Standard, hier gibt es nichts zu meckern. Das Rift insbesondere auf gelangweilte WoW Zocker abzielt merkt man spätestens bei den Items, neben dem Design der Bekleidungs- und Rüstungsteile ist selbst die farbliche Markierung identisch: grau, weiß, grün, blau und lila. Das Handwerk habe ich nicht ausprobiert, schien aber beim Überfliegen der herumstehenden Non Player Characters (NPCs) ebenfalls der üblichen Standardkost in Rollenspielen zu entsprechen. Schön, wenn man in das Gebiet eines Rifts kommt, schließt man sich automatisch einer „Public Group“ an und kann helfen, die Monsterhorden zurückzuschlagen und den Riss zu schließen. Eigentlich sind die Rifts eine coole Idee, nur wenn sie ausgerechnet am derzeitigen Questort auftauchen, was häufig geschieht, und nicht genügend Mitspieler vor Ort sind, dann stirbt man schneller als einem lieb sein kann. Weiterquesten geht dann natürlich auch nicht. Bei mir haben sich etwa einmal vermehrt Gegner für Gruppenkampf direkt am Wiederbelebungsschrein platziert, sodass ich in Geistform warten musste, bis endlich andere Spieler eingetroffen waren und etwas aufgeräumt hatten. Apropos Wiederbelebung, auch die ist exakt so aus dem berühmten Blizzard-Spiel entliehen.
Auf dem von mir genutzten Server ging es während des Beta-Belastungstests recht gemächlich zu, er war bei weitem nicht voll, was auch dem Spielfluss zugute kam, denn die Respawnrate einzelner Gegnertypen schwankte von: „Hilfe, zu schnell, bin doch noch halb tot“ bis „wann taucht das Vieh endlich wieder auf?“ Her sollten Spieldesigner endlich mal anfangen, die Mobquote abhängig von denen sich im jeweiligen Gebiet aufhaltenden Spielern zu machen. Denn wenn man mit einem zum Viertel leeren Energiebalken noch am Rande einer Gruppe steht, und der gerade eben gekillte Gegner praktisch sofort wieder auftaucht ist das ärgerlich. Denn Flucht kann man leider vergessen, die Monster verfolgen einen bis zum Sankt Nimmerleinstag und ziehen einem beim Hinterherrennen auch kontinuierlich Lebenspunkte ab, das Sterben ist vorprogrammiert, der Spieler bleibt ohne Chance. Diese unverschuldeten Tode haben mich mehr als einmal geärgert.
Die Beta litt noch gelegentlich an einigen kleinen Bugs bei der Grafikdarstellung, auch verwandelte sich mein Mauszeiger einmal dauerhaft in das Kreuz zum Rumschieben, sodass ich nichts mehr anklicken konnte. Aber das war es erfreulicherweise auch schon. Zur Musik und den Soundeffekten kann ich sagen, dass sie mir nicht aufgefallen sind, was weder gut noch schlecht ist.
Für wen ist Rift und werde ich es weiter spielen? Tatsächlich ähnelt Rift dem Klassenprimus WoW mehr als sonst ein MMO. Insbesondere WoW-Spieler werden sich also schnell heimisch fühlen. Wer neu einsteigt, wert auf gute Grafik legt und die Wahl zwischen WoW und Rift hat, der sollte sich also durchaus den neuen Titel mal anschauen. Quantitativ wird der Newcomer allerdings noch für eine ganze Weile nicht mit dem riesigen Platzhirsch und seinen inzwischen drei Addons (Burning Crusade, Wrath of the Lich King und Cataclysm) mithalten können. Dafür fällt der Einstieg für MMO-Novizen leichter, da es viele Tipps gibt, wo man beim „Classic“ WoW damals noch meist selbst rausfinden oder andere Gamer fragen musste. Spielerisch wird mir persönlich bei Rift zu wenig Innovation geboten. Gute Grafik alleine reicht mir nicht, auch weil es da nur zu Rang zwei reicht. Nach über sechs Jahren MMORPG-zocken erwarte ich von einem neuen Spiel etwas Frisches, Einzigartiges. Age of Conan bot dies unter anderem mit seinem Kampfsystem, Aion mit dem PvP. Wie schon der inoffizielle Vorgänger Warhammer Online scheitert Rift hier (Warhammer hätte damals zum Beispiel die Rift Grafik gut gestanden, der Comiclook war einfach zu sehr an WoW angelehnt). Außerdem fühle ich mich in Rift grundsätzlich einfach irgendwie viel zu sehr wie in einem „World of Warcraft Light“ und nicht wie in einem eigenständigen Spiel, das haben Age of Conan, Aion oder Herr der Ringe Online weitaus besser hingekriegt und sich eine große Eigenständigkeit bewahrt. Mein Hoffnungsträger auf etwas wirklich Neues wird im Jahr 2011 also weiterhin Tera heißen, das, mit einem actionlastigen Spielprinzip neuen Wind in das vermiefte Genre bringen und den Einheitsbrei auflösen möchte. Und sollte ein Guild Wars 2 dann irgendwann mal erscheinen, hat dieses zumindest den Vorteil, dass man die monatlichen Abogebühren spart.
Bitte nicht falsch verstehen, Rift ist ein tolles Spiel, das eigentlich alles richtig macht. Es ist aber leider eben eines nicht: einzigartig!
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Meine gesammelten Bildschirmfotos von Rift können in folgendem Webalbum bestaunt werden: Rift Screenshots 
Zum Vergrößern einfach rechts oben auf die Lupe klicken. Die Screens liegen in der Auflösung 1600x1050 vor und wurden bei maximalen Grafikeinstellungen gemacht.

Kommentare

  1. Hey, danke dir. Toller Überblick!

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  2. Mal eine ersten Frage, spielst Du Die MMOs überhaupt bevor Du solche zum teil seltsamen Blogs schreibst? Ich bin seid Beta 2 dabei gewesen und irgendwie hat dieser beitrag doch eher was von einer Hetzkampagne gegen Rift, als eben das er sachlich und vor allem Inhaltlich korrekt wäre. Gerade die Startzonen beider Fraktionen sind elementarer Bestandteil der geschichte und erzählen diese sehr gut, wer weder die Questbeschreibungen liesst, noch die Zettel und Bücher die überall rumliegen oder hängen, darf sich nicht wundern das er nichts von der Geschichte mitbekommt.

    Dann sprichst Du von langer WoW-Erfahrung und wieviel doch beim Primus geklaut ist, wer jedoch so viel Erfahrung hat, sollte den Weitblick besitzen zu wissen das bei Blizzard klauen soviel bedeutet wie einen Dieb bestehlen. Klar setzt Rift klar in vielen Punkten auf ein bewährtes Prinzip, welches man aus WoW kennt, aber wer mag sich auch an etwas schlechterem orientieren? Hinzu kommt das es bereits jetzt mit Elementen angefüllt ist, welche man aus anderen Titel kennt und die in WoW bis heute noch gar keinen Einzug gehalten haben.

    Grafik ist immer so eine Sache, ich persönlich kann zB bis heute der AoC-Grafik sehr wenig abgewinnen. Sie ist sicherlich nett und technisch auch sehr ausgereift, aber nicht direkt das Beste. Mir sagt da zB die Grafik aus Lotro bisher am meisten zu und empfinde sie als besser, wohlgemerkt besser als Rift und AoC.

    Nett das Du zB die öffentlichen Gruppen ansprichst, aber diesen tritt man keinesfalls automatisch bei, sondern entweder läd man sich selbst dort ein, oder man hat seine Gruppenfunktion auf öffentlich stehen, so das sich andere bei einem selbst einladen können.

    Rift sich sicherlich nicht der Heilsbringer und setzt auch eher auf bewährtes gewürzt mit einem doch recht ansehnlichen Klassensystem sowie der Innovation in Form der Risse. Mehr wollte Rift aber eigentlich auch nicht sein und ist allemale weit von dem entfernt, was Du hier niederschreibst da es zum teil einfach nur falsche Informationen sind. Und das obwohl Du bereits einleitend schreibst das man ein MMO kaum nach 10-12 Stunden Spielzeit beurteilen kann. Das ist so und egal wieviele Jahre Du bereits MMOs spielst, ändert daran nichts. Ich werfe Dir keine Böswilligkeit vor, aber es mangelte schlichtweg anscheinend an genug Informationen und die kann man eben nicht in 10-12 Stunden ansammeln.

    P.S.: Im übrigen, hättest Du Dich wirklich mal mit der Geschichte beschäftigt, wüßtest Du warum zB die ganzen Städte eher klein ausfallen, das hat eben einen geschichtlichen Hintergrund, aber die hast Du ja bereits im Tutorial vollkommen ignoriert.

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  3. @Anonym
    Die Story von Rift ist Quatsch mit Soße, dabei bleibe ich!
    Ansonsten hättest du dir den Post "Welcher MMO Typ bin ich" durchlesen sollen, der erklärt eine Menge, wieso meine Rift Preview ausfiel, wie sie ausfiel.

    Rift ist meiner Ansicht nach ein wirklich gutes, ausgereiftes MMORPG aber es ist halt einfach auch nur MMO Einheitsbrei und bietet nichts eigenständiges sondern muss sich (von der besseren Grafik abgesehen) sogar mit F2P Spielen messen.

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